Bonolino und das Staubgespenst

Ich will ja gerne zugeben, dass ich nicht zu den Mutigsten meiner Art zähle. Vor Monstern, Geistern und sonstigen Spukgestalten habe ich gehörigen Bammel und lese lieber über sie, als dass ich ihnen persönlich begegne.

Doch als mich kürzlich der Notruf eines kleinen Schlossgespenstes aus England erreichte, überwand ich meine Furcht und eilte zu dessen Rettung. Das Gespenst hieß Dusty und zog gerne polternd und rumorend durch die düsteren Gemächer, Gänge, Gelasse und die Speisekammer (es hatte eine Schwäche für Kartoffelchips) des Schlosses. Mit Kettenklirren, schaurigem Stöhnen, durch Wände Schweben und allem Drum und Dran. Im Verlies ließ es sich freilich nie blicken, denn dort war es ihm zu unheimlich, gestand es mir hinter vorgehaltener Hand … äääh … Betttuch.

„Was fehlt dir denn? Was kann ich für dich tun?“, fragte ich Dusty.

„Fehlen? Ich krieg hier bald was zu viel!“, schimpfte das kleine Gespenst, wobei sich sein Betttuch im Kopfbereich vor Empörung rötete. „Jeden Morgen lege ich mich frisch gewaschen und sauber schlafen. Aber wenn ich nachts aufwache, ist mein Betttuch voller Schmutz! Mein Freund, der Uhu, hat mir erzählt, dass die Schlossgeister mich tagsüber zum Staubwischen benutzen. Kannst du dir das vorstellen? Ein Gespenst als Staubtuch? Die haben keinerlei Angst vor mir! Und danach wirft man mich einfach schmutzig in die Ecke!“

„Oh!“ Ich wusste gar nicht, dass Geister auch am Tage durch die Gegend spuken. Furchtsam blickte ich mich um. Zum Glück war es gerade finstere Nacht. „Und du wachst dabei nicht auf? Soll ich mal mit ihnen reden?“, fragte ich nervös.

„Ach, das nutzt nichts“, antwortete Dusty. „Dieses durchsichtige Gesindel wird nicht auf dich hören. Im Prinzip sind sie ja auch ganz okay, wenn sie bloß nicht diesen Putzfimmel hätten. Ich verstehe auch überhaupt nicht, was das Ganze soll – in ein anständiges Spukschloss gehören nun mal Spinnweben und jede Menge Staub! Wer will denn schon eine saubere Bude?“

Ich musste grinsen. „Mein Gartenhäuschen mag es auch lieber sauber.“

„Dann schick ich dir die Schlossgeister nach Hause“, kicherte Dusty.

Erschrocken riss ich die Augen auf. „Nein danke, lieber nicht! Aus welchem Material besteht eigentlich dein Betttuch?“

„Aus Mikrofaser! Geniale Erfindung. Trocknet unheimlich schnell, so dass ich schon kurz nach dem Baden ins Bett gehen kann.“

„Das ist also der Grund, warum die Schlossgeister mit dir Staub wischen! Mikrofasertücher eignen sich hervorragend zum Saubermachen! Du solltest dir ein anderes Betttuch zulegen.“

Gesagt, getan. Ich besorgte Dusty ein einfaches Baumwolllaken, einen Fön (damit es nach dem Baden schneller trocknete), einen Staubsauger und mehrere Staubwedel, damit der Haussegen bei den Schlossgeistern nicht in Schieflage geriet. Dann machte ich mich schnell aus dem Staub.

Bonolino zeigt Dusty einen Staubsauger

Nach ein paar Wochen bekam ich Gespensterpost von Dusty. Darin berichtete es mir begeistert, dass nun alles in Ordnung sei. Anfangs hatten die Schlossgeister Angst vor dem lärmenden Staubsauger, aber nachdem es ihnen gedroht hatte, mit seinem neuen Fön sämtlichen Staub im Schloss aufzuwirbeln und einen Staubteufel namens Bonolino herbeizurufen, wenn sie es nicht in Ruhe ließen, gewöhnten sie sich schnell an die neue Technik. Es stellte sich außerdem heraus, dass sie gar nicht gewusst hatten, dass Dusty ein Gespenst ist, sondern es mit einem normalen Staubtuch verwechselt hatten. Dusty stickte sich daraufhin den Schriftzug „Ich bin ein Gespenst, und ihr müsst euch vor mir gruseln!“ auf sein neues Betttuch, und damit kam alles ins Reine.

Das Staubgespenst Dusty


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