Bonolino und Hipolito
„Wir Hippos müssen zusammenhalten!“ Diesen Standpunkt musste ich meiner kleinen Freundin, der Katze MauMau, natürlich erst einmal erläutern. Wir saßen gemeinsam auf der Wiese und lasen die Express-Flaschenpost, die ich von Hipolito erhalten hatte.
MauMau blinzelte mich fragend an. „Aber Hipolito ist doch gar kein Nilpferd, sondern ein Seepferdchen!“
„Stimmt“, antwortete ich, „aber Hipolito ist ein Hippocampus – das kommt aus dem Griechisch-Lateinischen und steht für Seepferdchen. Und ich bin ein Hippopotamus, also ein Nil- bzw. Flusspferd.“
„Ihr zwei seid ja ganz schön hip“, schmunzelte MauMau. „Und wobei braucht Hipolito deine Hilfe?“
„Keine Ahnung“, ratlos kratzte ich meinen blauen Bauch. „Jedenfalls scheint es dringend zu sein und ich muss mich sofort zum Indopazifischen Ozean aufmachen. Hast du Lust mitzukommen?“ MauMau strahlte.
Rasch suchte ich mein Reisegepäck sowie Taucherausrüstung für mich und MauMau zusammen und mit einmal Schnauben, dreimal Ohrenwackeln und einem lauten „Auffi, Galápagos!“ ging es los.
Wir landeten auf der mit Hipolito vereinbarten Insel und legten unsere Taucherausrüstung an. Ich grinste: „Du siehst aus, als ob du ein Goldfischglas auf dem Kopf hättest.“
MauMau kicherte: „Und du? Willst du zum Mond fliegen, wie weiland Nilpferd Armstrong?“
Verdutzt schaute ich sie an. „Nilpferd Armstrong? Du meinst Neil Armstrong!“
„Sag ich doch! Der erste Mann auf dem Mond.“
„Du bist mir schon eine. Jetzt müssen wir aber los, Hipolito wartet.“ Und schon trabte ich zum Strand.
„He!“, rief MauMau mir hinterher, „Erde an Bonolino! Lauf nicht so schnell – dies ist ein kleiner Schritt für ein Nilpferd, aber ein Riesenschritt für eine Katze!“
Seufzend ließ ich MauMau auf meinen Rücken springen und patschte schließlich mit ihr ins seichte Wasser. Nach einer Weile fiel der Boden ab und ich tauchte mit den Füßen paddelnd durchs Meer. Plötzlich schwamm vor meinem Taucherhelm-Bullauge eine winzige Gestalt hin und her. „Bist du Hipolito?“, fragte ich.
Das kleine Seepferdchen nickte eifrig mit dem Kopf: „Ja, das bin ich. Toll, dass ihr kommen konntet.“ Dann weiteten sich seine Augen und es rief erschrocken: „Passt auf, hinter dem kleinen schwarzen Nilpferd schwimmt eine Seeschlange!“
Verwundert drehten MauMau und ich unsere Köpfe und hielten nach der Gefahr Ausschau, konnten aber nichts entdecken. Dann ging mir ein Licht auf: „Das ist MauMau. Sie ist kein Nilpferd, sondern eine Katze. Und was du für eine Seeschlange hältst, ist ihr Katzenschwanz.“
Erleichtert musterte Hipolito MauMau: „Dann bist du also eine Meerkatze?“
MauMau lächelte: „Nein, ich bin eine Hauskatze, ein Landtier. Meerkatzen heißen zwar so, tatsächlich sind sie aber Affen.“
„Hmmm, ihr Landtiere seid schon ein bisschen merkwürdig“, meinte Hipolito.
„Ach was“, lachte ich, „du bist ja auch kein Pferd, sondern ein Fisch. Warum hast du mich denn nun hierher gerufen?“
Hipolito druckste herum. „Weil, weil … es ist mir so peinlich …“
MauMau nickte ihm aufmunternd zu. „Nur Mut!“
Verlegen wand sich das Seepferdchen im Wasser. „Na ja, in der Fischschule müssen wir Schwimmprüfungen ablegen, und bei mir steht nun die erste an ...“
„Meinst du das Seepferdchen-Schwimmabzeichen für Kinder?“, fragte ich verblüfft.
„Ja“, gab Hipolito kleinlaut zurück. „Das gibt es bei uns auch.“
„Aber du kannst doch schon schwimmen. Worüber machst du dir Gedanken?“
„Bei dieser Prüfung müssen wir uns an den Korallen festklammern und versuchen, der Strömung standzuhalten. Das ist nicht einfach, aber das kriege ich schon hin. Mein großer Bruder behauptet aber, dass man dabei laut wiehern muss, sonst wäre man kein richtiges Seepferdchen. Ich kann aber nicht wiehern, obwohl ich schon ganz viel geübt habe!“ Hipolito seufzte schwer. „Du bist doch ein Nilpferd, Bonolino – kannst du mir das nicht beibringen?“
Brrrrrrrr! Der Gedanke allein brachte mich zum Jaulen. „Dein Bruder ist ja ein Spaßvogel! Seepferdchen können nicht wiehern und das wird auch nicht in der Prüfung von dir verlangt!“
„Uiii, da bin ich aber froh!“ Das kleine Seepferdchen atmete tief durch, bedankte sich artig bei uns und schwamm mit neuem Selbstbewusstsein in die Schule.
Auf der Heimreise blieb MauMau eine ganze Weile verdächtig schweigsam, während ihr Schwanz leicht hin und her zuckte. Dann schnurrte sie mir ins Ohr: „Bonolino, darf ich dich was fragen? Kannst du eigentlich wiehern?“
„Ich und wiehern? Nö! Da kann ich ja noch besser grunzen!“, gab ich ihr belustigt zur Antwort.
„Also bist du gar kein Flusspferd, sondern ein Meerschweinchen“, folgerte MauMau grinsend. „Aber mach dir nichts draus. Aus dem Wiehern, meine ich. Maunzen ist sowieso viel schöner!“
