Bonolino und der raffinierte Zucker
Okay, ich geb’s zu. Nach einem anstrengenden Arbeitstag in meinem Freiluftbüro habe ich hin und wieder keine Lust, groß was zu kochen. Heute war so ein Tag. Geöffnete Konservendosen, Flaschen, Papiertüten und Kartons lachten mir auf meinem Küchentisch entgegen. Immerhin bestand deren Inhalt hauptsächlich aus Gemüse.
Gerade wollte ich mit einem Finger etwas Ketchup naschen, als aus der Schale mit der roten Sauce ein weißer Würfel auftauchte. Huh! Der Würfel öffnete seine Augen und grinste mich an.
„Was bist du denn?“, fragte ich erschüttert. „Und was machst du in meinem Ketchup?“
„Ich bin ein raffinierter Zucker!“, lachte er.
„Raffiniert im Sinne von verarbeitetem Zucker?“, fragte ich.
„Nicht nur. Ich bin auch ein ziemlich gewitztes Kerlchen.“
„Ach ja? Schwing dich aus meinem Ketchup! Ziemlich unappetitlich, einfach so in fremder Leute Essen herumzuturnen“, knurrte ich.
„Ganz im Gegenteil!“, sagte der Zuckerwürfel gut gelaunt. „Ohne mich würde er dir wahrscheinlich nicht so gut schmecken! Was glaubst du denn, warum der Ketchup so süß ist?“
Hmmm. Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. „Mir egal! Jetzt komm da endlich raus!“
„Meinetwegen.“ Der Zuckerwürfel tauchte im Ketchup unter und ploppte im Krautsalat-Becher wieder auf.
„Heee, was soll das?“, rief ich erbost. „Raus da!“
„In deinem fertig gekauften Krautsalat stecke ich ebenfalls.“ Dann hüpfte er ins Gurkenglas, von dort in die Dose mit Rotkohl, weiter zu der mit den eingelegten Roten Beeten, dann zu den vegetarischen Ravioli in Tomatensauce, zur Ananas-Konserve und zu meinem heißgeliebten Eistee. „Hier bin ich auch drin. Und hier und hier und hier und hier und hier!“
„Waaas? Da soll überall Zucker enthalten sein?“ Erstaunt fiel mir die Kinnlade runter.
„Soll ich mal in deinem Kühlschrank nachschauen? Ich wette, ich finde mich dort überall wieder“, sagte der Würfelzucker, schwamm eine Runde selbstzufrieden in meinem Eistee, um anschließend in das Glas mit dem Multivitamin-Nektar zu klettern.
„Nein, das sollst du nicht!“
Der Zuckerwürfel stieg aus dem Glas, hopste über den Tisch und riss kichernd mehrere Tüten mit Kräuter- und Gewürzmischungen auf. „Ich weiß zwar nicht, warum ein Salatdressing süß schmecken sollte, aber hier drin verstecke ich mich auch. In Fertiggerichten bin ich besonders heimisch!“
Ich war ganz durcheinander. Dabei hatte ich gedacht, dass mein Essen zwar bequem, aber trotzdem gesund sei! Wie konnte ich mich denn so irren? Enthielten denn sämtliche industriell verarbeiteten Lebensmittel Zucker? Kein Wunder, dass mein Bauch immer runder wurde! Ich ging in meine Speisekammer und warf einen Blick auf die Verpackungsetiketten.
„Ha! In meiner Gemüsebrühe ist kein Zucker enthalten!“
„Doch!“ Der Zuckerwürfel saß auf meiner Schulter und las mit. „Da ist Maltodextrin drin. Ein versteckter Zucker. Ich lasse mir gern andere Namen geben, damit ich nicht so auffalle. Und damit komme ich fast überall unbemerkt durch. Ziemlich raffiniert, was?“
Hmmmpfff. Der raffinierte Zuckerwürfel war also ein Cleverle. Ein Smartie sozusagen. Ich nahm eine andere Packung in die Hand. „Aber hier ist kein Zucker drin. Nur Fruktose. Das hört sich nach Obst und Früchten und besonders gesund an!“ Ich strahlte den Zuckerwürfel an.
Der strahlte zurück: „Da liegst du leider falsch! Fruktose ist Fruchtzucker. Und wenn der Lebensmitteln künstlich hinzugefügt wird, besonders ungesund. Fruktose ist natürlicherweise in Obst enthalten, und frisches Obst ist natürlich gesund. Aber noch gesünder ist frisches Gemüse, da es weniger Zucker enthält. Wenn du jeden Tag kiloweise Trauben oder Bananen zusätzlich zu deinem normalen Essen futtern würdest, dann würdest du dich bald verdoppeln. Erdbeeren und Himbeeren enthalten dagegen deutlich weniger Fruchtzucker.“
„Und wo steckst du sonst noch in versteckter Form drin?“, fragte ich vorsichtig.
„Das wird jetzt eine lange Aufzählung. Hör genau hin, Bonolino“, raunte mir der durch Ketchup, Eistee und Multivitamin-Nektar klebrig gewordene Würfel mit Verschwörermiene zu. „Überall, wo von Sirup, Süße, Dextrin, Dextrose, konzentrierten Fruchtsäften, Dicksaft, Laktose, Fruchtextrakt, Glukose, Honig, Inulin, Kandis, Magermilchpulver, Fruchtpüree, Maltodextrin, Fruchtsaftkonzentrat, Joghurtpulver, Maltose, Malzextrakt, Fruktose, Molkenerzeugnis, Molkenpulver, Oligofruktose, Gerstenmalz, Gerstenmalzextrakt, Polydextrose, getrockneten Früchten, Raffinose, Saccharose, Süßmolkenpulver und Vollmilchpulver die Rede ist, bin ich quasi inkognito unterwegs! Und die Liste ist noch nicht einmal vollständig!“
Ein Undercover-Agent also – ganz schön ernüchternd. Zucker überall! Das hatte ich nicht erwartet. Ab sofort würde ich meine Speisen doch lieber wieder selbst frisch zubereiten und auf Fertigprodukte aus dem Supermarkt verzichten. Ich war dem kleinen Besserwisser für seine Aufklärung zwar sehr dankbar, aber zu einer dicken Freundschaft würde es hoffentlich trotzdem nicht reichen, denn ich wollte zu einem gesunden Besseresser werden!
Weblinks: Verbraucherzentrale Hessen
- So erkennst du versteckten Zucker
- Zucker und Zuckerersatz: So erkennen Sie Süßmacher in Lebensmitteln
Gesunde Ernährung
Sich gesund zu ernähren ist scheinbar gar nicht so einfach. Am besten verzichtet Ihr auf industriell verarbeitete Lebensmittel und kocht selbst oder, noch besser – lasst Euch bekochen. Wer wissen will, wie gesunde Ernährung geht, findet in unserer Präventionskurs-Datenbank zertifizierte Angebote – auch für Kinder.