Bonolino und Kunibert

Und wieder einmal hatte der Winter Einzug gehalten. Schnee stöberte an den Fenstern meines Gartenhäuschens und zankte sich dort mit den Eisblumen um die besten Plätze.

Ich saß mit einer Wolldecke auf den Beinen in meinem gemütlichen Ohrensessel und knabberte fett- und zuckerreduzierte Vollkornkekse. MauMau, Knabber und Türülü leisteten mir gerne Gesellschaft, weil sie bei dieser Kälte keine Lust hatten, draußen unterwegs zu sein.

„Du krümelst!“, beschwerte sich MauMau und drehte sich in ihrem Körbchen einmal um sich selbst, um eine bequemere Stellung zu finden.

„Na und? Ist doch super!“ Türülü hüpfte auf meinen Sessel und pickte die Krümel weg.

„Doof ist doch nur, dass die leckeren Schokoplätzchen alle sind. Deine Gesund­heits­kekse schmecken nicht, Bonolino!“, rief Knabber und schnappte sich einen der doofen Kekse, um herzhaft hineinzubeißen. Nun wisst Ihr ja, dass ich etwas, aber nur ein klitzekleines bisschen, auf meine Linie achten muss. Meine Freunde wissen das auch, und gerade wollte ich sie daran erinnern, als es heftig gegen die Tür meines Gartenhäuschens pochte. Du liebe Güte! Wer konnte das denn sein? Unsicher rief ich: „Wer da?“

Bonolino und seine Freunde sitzen in der Stube, als es plötzlich an die Tür klopft

„Lass mich rein! Ich bin's – Kunibert!“ Kunibert der Braunbär?

„Das glaub ich nicht!“, rief ich aufgeregt, „Kunibert liegt längst im Winterschlaf!“

„Mach endlich auf, oder ich öffne mir selbst, Bonolino!“ Ein Blick durch das Butzenfenster meiner Haustür verschaffte mir Gewissheit: Es war tatsächlich der alte Bär. Schnell öffnete ich die Tür und ließ den Meister Petz herein.

„Äääh, was kann ich für dich tun?“, fragte ich ihn nervös, denn so ein großer alter Bär kann ganz schön … naja … groß sein.

„Ich kann nicht schlafen“, brummte Kunibert.

„Nun, dann werde ich uns mal einen leckeren Baldriantee kochen. Der beruhigt und macht müde!“ Flugs begab ich mich in die Küche, um einen Kessel Tee aufzusetzen.

Kunibert nippte an dem Tee und machte „Bäh!“ Auch die anderen schienen nicht begeistert, bis auf MauMau. Die kleine schwarze Katze geriet plötzlich völlig aus dem Häuschen und begann auf meinen Bücherregalen Flamenco zu tanzen!

„Was ist denn mit dir los, MauMau?“, rief ich ihr erschrocken zu.

¡Olé! ¡Soy una gata y me encanta bailar!“, schmetterte sie uns auf Spanisch entgegen.

„Natürlich bist du eine Katze, und tanzen – oder besser gesagt maunzen – kannst du auch!“ Dann wurde mir klar, dass Baldrian auf Katzen wie Katzenminze wirkt: alles andere als beruhigend. Die Samtpfoten spielen total verrückt! Hoffentlich ließ die Wirkung bald nach …

„Hahaha! Großartige Vorstellung, Miezekatz!“, rief Kunibert und hielt sich vor Lachen den Bauch. „Jetzt habe ich aber Hunger, Bonolino! Hast du Honig? Oder noch besser, Honigkuchen?“

„Dir juckt wohl das Fell!“, fauchte MauMau angriffslustig.

Kunibert kicherte. „Genau! Leihst du mir deinen Kratzbaum?“ MauMau fuhr ihre Krallen aus.

„MauMaus Kratzbaum ist nur für Katzen“, mischte sich Knabber ein. „Ist quasi ein Katzbaum.“

„Hab ja nur Spaß gemacht. Nix für ungut“, brummte Kunibert gutmütig, „und jetzt will ich endlich etwas essen, Bonolino! Ich habe einen Bääärenhunger!“ Seufzend plünderte ich meine Vorratskammer und bewirtete Kunibert mit den erst kürzlich gebackenen Weihnachtsplätzchen, Christstollen und was ich sonst noch so an Leckereien fand.

„Du wirst noch dick und fett!“, schimpfte Türülü, als Kunibert sich die Süßigkeiten unermüdlich in den Rachen schob.

„Das ist der Plan“, grinste Kunibert. „Ich muss mir eine dicke Speckschicht anfressen, damit ich gut durch den Winter komme. Und ohne kann ich außerdem auch gar nicht schlafen, weil mich sonst mein Magenknurren ständig weckt.“

Nach zwei Stunden pausenloser Mampferei rülpste Kunibert leise und schlummerte am Küchentisch ein. Oha, nicht gut! In meinem Gartenhäuschen konnte er nicht bleiben – dafür war er einfach zu groß. Vorsichtig stupste ich ihn an.

„Interessierst du dich für Astronomie? Ich könnte dir das Sternbild des Großen und des Kleinen Bären zeigen.“

„Ich bin doch der große Bär“, murmelte Kunibert schläfrig, aber dann folgte er mir schlurfend in meine kleine Sternwarte, die sich direkt neben meinem Gartenhäuschen befand.

„Schau“, sagte ich, „dort oben siehst du den Großen Wagen. Und der ist Teil des Sternbildes Großer Bär. Etwas weiter daneben siehst du den Kleinen Bären, der auch Kleiner Wagen genannt wird. An dessen Schwanzspitze befindet sich der Polarstern. Mithilfe des Polarsterns kannst du den geografischen Norden ermitteln.“

„Yoh“, brummte Kunibert und legte sich auf den Boden. Schnell war er eingeschlafen. Sollte ich etwa beleidigt sein? Nein. Es war ja zu seinem Besten, dass er nun hier in der Sternwarte, geschützt vor der Kälte, friedlich vor sich hin ratzte. Wenn er im Frühjahr wieder aufwachte, würden die Sternbilder weitergewandert sein, wie es Sternbilder im Laufe der Jahreszeiten nun mal so tun. Ich schob Kunibert ein Kissen unter den Kopf, legte eine dicke Wolldecke über und etwas zu essen neben ihn, dann kehrte ich zu meinen Freunden zurück in mein Gartenhäuschen.

Braunbär Kunibert schläft zugedeckt neben einem Teleskop ein

„Wir haben nichts mehr zu essen“, jammerte Knabber. „Was machen wir denn bloß, hmmm?“

Ich überlegte kurz und grinste dann über das ganze Gesicht: „Undoofe, lecker-ungesunde Schokoplätzchen backen!“


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