Bonolino und Euli

„Huhu! Huhu!“ Unheimliche Geräusche ließen mich in der Nacht aus dem Schlaf schrecken. „Huhuuu!“ Wer war der gräuliche Rufer? Was wollte er? Rief er etwa nach mir? Trotz der frühsommerlichen Temperaturen zitterte ich, als ich an das offene Fenster meines Schlafzimmers trat.

„Hallo?“, wisperte ich ängstlich. „Ist da jemand?“ Ich starrte in die Dunkelheit.

Ein kleines, schwarzes, scheinbar gehörntes Etwas kam mir plötzlich entgegengeflattert und setzte sich aufs Fensterbrett.

„Huh!“, rief ich erschrocken und machte einen Satz zurück. War das etwa eine Fledermaus? Oder eine Amsel mit Ohren?

„Huhu!“, krächzte es mir entgegen.

„Warum rufst du dauernd Huhu? Bist du ein Uhu?“

„Sehr witzig. Ich bin eine Zwergohreule und heiße Euli. Und du? Bist du eine Schwerhöreule, Bonolino? Ich rufe schon seit einer gefühlten Ewigkeit nach dir. Ich habe extra eine laute Fremdsprache gelernt, damit du mich verstehst. Huhu!“

„Huhu ist ein lautes, fremdsprachiges Wort? Was bedeutet es denn auf leisem Zwergohreulisch?“

„Djü, Djü, Djü. Aber damit hätte ich dich wohl nicht wachgekriegt, Schnarchnase“.

„Und was bedeutet Djü, Djü, Djü?“

„Ich bin hier und will, dass du mich hörst!“, sagte Euli. „Ist doch ganz einfach.“ Aha. Zwergohreulisch scheint eine komplexe Sprache mit übersichtlichem Wortschatz zu sein. Man lernt nie aus.

Ich entzündete eine Tranfunzel, damit ich meinen nächtlichen Gast besser sehen konnte. Die Mini-Eule hatte ein schwarzes Gefieder, grüne Flügel und Augenbrauen, schwarz-gelb-grün-weiße Federohren, einen gelben Schnabel und violette Augen. So eine Färbung hatte ich noch nie gesehen. Ob sie wohl gerade eine Runde Federfärben beim Eulen-Friseur hinter sich hatte? Aber was fasele ich …

„Warum schläfst du nicht? Es ist mitten in der Nacht!“

„Ich schlafe aber lieber mitten am Tag. Mir ist laaangweilig!“ Euli hatte also nicht nur Flusen auf dem Kopf, sondern auch noch Flausen darin. Aus der Ferne erklangen „Djü, Djü, Djü“-Rufe.

Die Zwergohreule Euli sitzt auf Bonolinos Fensterbrett

„Das scheinen Artgenossen von dir zu sein“, sagte ich. „Zieh doch mit denen ein bisschen um die Häuser.“

„Das sind keine Zwergohreulen, sondern Geburtshelferkröten.“

„Hö? Bist du sicher? Kröten, die bei Geburten helfen? Ernsthaft?“

„Das tun sie ganz sicher nicht“, Euli zuckte mit den Flügeln. „Ich habe mir die Bezeichnung nicht ausgedacht.“

„Aber Eulen, die wie Kröten quaken und umgekehrt?“

„Yep! Immerhin hört es sich nicht wie ein Quaken an, sondern eher wie ein technischer Piepton.“

Hmmm. Eulen und Kröten sind schon merkwürdige Geschöpfe. Ich stieß mit Hilfe von Daumen und Zeigefinger meiner rechten Hand einen lauten Pfiff aus. Euli blickte mich erstaunt an.

„So was kannst du? Pfeifen wie ein Teekessel? Nilpferde sind schon merkwürdige Geschöpfe.“ So kann man das natürlich auch sehen.

Auf meinen Pfiff hin tauchte Mucki, die Zwergfledermaus auf. „Was gibt’s Bonolino?“, fragte sie.

„Ist dir vielleicht langweilig?“, fragte ich Mucki. „Hast du Lust, ein paar Runden mit Euli zu drehen?“

„Klar!“ Und die beiden Zwerge erhoben sich kichernd in die Nacht. Nach einer Weile – ich wollte mich gerade wieder hinlegen – hörte ich plötzlich ein Doing!, gefolgt von einem Aua!. Mucki, Euli und ein rindenfarbiger Vogel landeten auf dem Fensterbrett.

„Die Eule hat 'ne Beule!“, rief Mucki.

„Was ist passiert?“, fragte ich und unterdrückte ein Gähnen.

„Euli ist im Flug mit ‘nem Ziegenpeter zusammengestoßen und hat nun ein Ei am Kopf“, sagte Mucki.

„Ich heiße zwar Peter, bin aber ein Ziegenmelker!“, meckerte der andere Vogel. Ziegenmelker? Ach ja, ich erinnerte mich daran, dass man Nachtschwalben hierzulande auch als Ziegenmelker bezeichnet, obwohl sie keine Ziegen melken. Wer dachte sich bloß solche Bezeichnungen aus? Euli jammerte leise vor sich hin.

„Aber was machen wir denn da? Um diese Uhrzeit? Hast du dir auch wehgetan, Peter?“ Besorgt blickte ich von einem Nachtvogel zum anderen. Peter nickte mit dem Kopf. Von dem ganzen Lärm aufgeweckt, flog Amselmännchen Türülü herbei und landete auf meiner Schulter.

„Du hast als einziger hier ein Smartphone, Bonolino. Wir rufen die Tele-Tierärzte per App an“, zwitscherte Türülü. „Die sind rund um die Uhr erreichbar!“

Bonolino, Türülü, Mucki und Peter rufen für Euli die Tele-Tierärzte an

Gesagt, getan. Innerhalb kürzester Zeit erhielten wir per Videoanruf fachkundige Hinweise, wie die Beulen zu versorgen seien. Wir packten Kühlbandagen auf die schmerzenden Stellen und schon bald ging es den beiden Patienten wieder besser.

Am nächsten Tag hatte sich der telemedizinische Service in der gesamten Tierwelt herumgesprochen. Und was glaubt ihr, wer sich bei mir gemeldet hat? Eine Gottesanbeterin, die nicht betet. Ein Eulenfalter, der keine Eulen faltet. Ein Knurrhahn, der ein Fisch ist. Eine Blindschleiche, die richtig gut sehen kann. Ich könnte diese Liste vermutlich noch ewig fortführen. Aber jetzt muss ich mich zunächst um eine Kleine Hufeisennase kümmern, die sich den linken Flügel verletzt hat. Und ich meine jetzt keinen Nasenflügel.


Weblinks: Wikipedia


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