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/Newsletter 2020/05

Dankbarkeit – ein heilendes Gefühl

Als ein „Fest unverdienter Güte und Freundlichkeit“ bezeichnet der Psychologe Professor Robert Emmons von der University of California das Gefühl Dankbarkeit. Seit Jahren führt er Studien zu diesem Thema durch und hat so herausgefunden, dass Dankbarkeit ein echter Gesundmacher ist, sie einen widerstandsfähiger in Krisen macht, und man sie sogar trainieren kann.

Schon als Kind werden wir angehalten, „Danke“ zu sagen, wenn wir etwas bekommen oder uns jemand etwas Gutes tut. Und das fällt natürlich Kindern am leichtesten, wenn dieses Dankesagen auch mit großer Freude über etwas gekoppelt ist, denn diese beiden Emotionen Freude und Dankbarkeit gehören fest zusammen. Und das ist auch ganz simpel ausgedrückt der Grund, warum eine dankbare Haltung die Gesundheit fördern kann, weil sie eben eine durch und durch positive und mit Freude gekoppelte Haltung ist.

Frau schreibt lächelnd in einem TagebuchDer Psychologe Robert Emmons wollte es 2003 ganz genau wissen und führte weitreichende Studien zu diesem Thema durch. In einer zentralen Studie teilte er die Probanden, allesamt chronisch Erkrankte, in drei Gruppen. Die eine sollte zehn Wochen lang in einem Tagebuch notieren, wofür sie Dankbarkeit empfindet. Die zweite Gruppe sollte notieren, was alles schlecht gelaufen ist am Tag und eine dritte Gruppe sollte einfach neutral Erlebnisse und Tätigkeiten ins Tagebuch eintragen.

Das Ergebnis war erstaunlich. Die Gruppe, die das Dankbarkeitstagebuch geführt hatte, zeigte sich in den Befragungen deutlich optimistischer und fühlte sich vitaler als die Vergleichsgruppen. Bei den Dankbaren hatten sich körperliche Symptome wie Bauch- und Kopfschmerzen, und auch Schwindel und Muskelverspannungen reduziert. Sie suchten seltener einen Arzt auf und schliefen auch besser. Ihre Fitnessdaten wiesen bessere Ergebnisse als vorher und auch als die der Vergleichsgruppen auf. Doch war dies alles tatsächlich auf Dankbarkeit zurückzuführen? Bei der intensiveren Betrachtung fanden die Forscher heraus, dass die Probanden dankbar waren für Dinge, die sie von anderen empfangen hatten und für Menschen, die ihr Leben positiv beeinflussten. Und sie gaben an, dass ihre sozialen Bindungen sich weiter verstärkt hatten. Sie fühlten deutlich mehr Motivation beim Erreichen wichtiger Ziele. Die Forscher stellten danach die These auf, dass Dankbarkeit unter den positiven Emotionen besonders einhergeht mit Wohlbefinden, weil sie eine soziale Seite hat.

Und eine weitere Erkenntnis erlangte das Forscherteam um Emmons herum. Mit der gleichen Intensität der positiven Gefühle, die mit Dankbarkeit einhergehen – also Freude, Optimismus, Liebe, Glück und Begeisterung – schützt es vor destruktiven Kräften wie Neid, Habgier, Missgunst und Verbitterung. „Wir wissen heute nach vielen Jahren Forschung, dass dankbare Menschen besser mit Stress zurechtkommen und in der Regel auch über größere Resilienz (seelische Widerstandskraft) verfügen. Außerdem erholen sie sich schneller von Krankheiten und profitieren von einer besseren körperlichen Gesundheit“, so Robert Emmons in einem Interview, das er unserem Kundenmagazin BKKiNFORM vor einigen Jahren gab.

Frau berührt mit den Händen das Herz und den BauchDas mit der besseren Gesundheit haben Forscher aus Kalifornien auch genauer untersucht. Professor Paul J. Mills, spezialisiert auf Psychoneuroimmunologie und Psychosomatik, entdeckte, dass Dankbarkeit die Herzgesundheit von Herzpatienten schützt. Tests zeigten, dass bei Patienten, die unter einer Herzinsuffizienz im Stadium B litten, bei der sie noch keinerlei körperliche Symptome hatten, durch das Führen eines Dankbarkeitstagebuches ein Abrutschen in Phase C, bei der Beschwerden auftreten, verhindert werden konnte. Da Mills mit einer Kontrollgruppe arbeitete, die keine Dankbarkeitsintervention bekam, führte er die positiven gesundheitlichen Effekte auf die Herzgesundheit direkt auf die Dankbarkeit zurück.

Mills geht davon aus, dass Dankbarkeit den Vagusnerv im menschlichen Körper aktiviert, der Teil unseres körpereigenen Ruhesystems – des sogenannten Parasympathikus – ist. Mills: „Wir stellten fest, dass bei jenen Patienten, die täglich in ihr Dankbarkeitstagebuch schrieben, gleich mehrere Entzündungsmarker sanken. Gleichzeitig erhöhte sich die Herzfrequenzvariabilität, was mit einem geringeren Infarktrisiko gleichzusetzen ist.“ Andere Wissenschaftler beobachteten, dass sich der Blutdruck durch Dankbarkeitsübungen um 25 Prozent senken lässt und sie Antidepressiva bei leichten bis mittelschweren Depressionen ersetzen können.

Das sind viele gute Gründe Dankbarkeit zu üben. Wie das geht, weiß Professor Robert Emmons. Die beste Methode ist tatsächlich ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Und es empfiehlt sich, Erlebnisse und Dinge, die man dort einträgt, als „Geschenk“ zu betrachten. Das können nette Gespräche sein, das schöne Geschenk eines Freundes, ein wunderbarer Sonnenaufgang, ein Spaziergang, ein nettes Essen mit Freunden, die letzte Bahn noch erreicht zu haben, als dies könnte darin stehen. Wichtig ist, sich die Gefühle, die man bei den einzelnen Eintragungen hat, bewusst zu machen, ihnen nachzuspüren und sie als Geschenk zu würdigen. Ein wenig Zeit sollte man sich täglich dafür nehmen und die Dinge nicht nur wie eine To-Do-Liste abhaken. Um einen echten Nutzen für die Gesundheit zu ziehen, sollte man dieses Tagebuch täglich und mindestens über einen Zeitraum von 21 Tagen führen. Ab dann sollten erste Veränderungen in Zufriedenheit und Gesundheit spürbar sein.

Vielleicht ist das Üben von Dankbarkeit eine gute Möglichkeit, Krisen, wie wir sie derzeit weltweit durch Corona erleben, besser zu überstehen. „Denn“, so Emmons in unserem Interview, „es ist tatsächlich so, dass Dankbarkeit ihre größte Intensität gerade unter Krisenbedingungen entfaltet. Wenn wir am Boden zerstört sind, vermag Dankbarkeit uns Kraft zu spenden. Wenn wir zerbrochen sind, vermag sie uns zu heilen, und wenn wir verzweifeln, gibt Dankbarkeit uns Hoffnung. Ich bin davon überzeugt, dass es keine bessere Lebenseinstellung gibt als dankbar zu sein. Wenn das Leben es gut mit uns meint, erlaubt sie uns, dies zu feiern und das Gute noch zu vergrößern. Läuft es schlecht, ermöglichst sie eine Sicht auf das Leben als Ganzes und verhindert, dass uns die vorübergehenden Umstände überwältigen.“